hoping against hope
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Informationen
Allgemeine Angaben
Besetzung
Mike Johnson |
g, samples, midi instruments |
Mark Harris |
sopran sax, alto sax, b-flat standard and bass clarinets, flute |
Dave Willey |
b, dr, accordion |
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Elaine di Falco |
voice, accordion, p, toy p |
Robin Chestnut |
dr, perc |
Bill Pohl |
g |
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Gastmusiker
Adriana Teodoro-Dier |
p (2, 5, 6), toy p (2) |
Simon Steensland |
b (5) |
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Mike Boyd |
dr (2) |
Kathryn Cooper |
oboe (4) |
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Tracklist
Disc 1 |
1. |
The Echoes of Their Cries
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6:37
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2. |
Thus Have We Made the World
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5:38
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3. |
Commuting to Murder
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4:40
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4. |
Hoping Against Hope
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10:01
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5. |
The Great Leap Backwards
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3:57
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6. |
A Dirge for the Unwitting
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13:45
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Gesamtlaufzeit | 44:38 |
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Rezensionen

Der Thinking-Plague-Kosmos ist gewachsen. Die symphonische Lyrik der dramatischen Disharmonien ist tiefer und abgründiger, die eruptiven Bruchkanten, über die Mike Johnson emotionale Höhepunkte abschleifen lässt und thematische Schwerpunkte setzt, haben ihre Kraft und laszive Wucht erhalten. Die unveränderte instrumentale Ästhetik fokussiert sich kompositorisch intensiv auf neumusikalische, klassische Werte, lässt es dabei partiell enorm ‚frei‘ und fast verwirrend radikal zugehen, um andererseits sanfte Disharmonien in lichte Harmonien aufgehen zu lassen.
Markante Punkte sind nach wie vor dominant: Mike Johnsons polyphone Kompositionssprache samt der einzigartigen und keineswegs eingängigen oder leicht nachvollziehbaren, indes schlüssigen und logischen Gesanglinien, der Einsatz von Saxophonen, Klarinetten und diversen Tasteninstrumenten sowie die partielle Rock-Wucht, die aus den harsch-zarten, Post-romantischen Symphonie-Flächen wächst. Immer noch lustvoll, wie sich aus melancholisch mäandernden und ordentlich schrägen Ganztönen Viertel- und Achtel-Rhythmen brechen, Hals über Kopf aus den Boxen poltern und den ernsthaften Charakter persiflieren. Mike Johnson & Thinking Plague legen wenig Wert darauf, ihre Musik einfach und nachvollziehbar zu machen. „Hoping Against Hope“ ist soweit von Popmusik entfernt wie von der aktuellen Renaissance des Progressive Rock aka ‚Prog‘. Ansatzpunkt können bei dem von Mike Johnson geliebten klassischen Komponisten William Schuman gefunden werden, in der Rock in Opposition (vor allem Henry Cow, Art Bears und Art Zoyd), sowie in der avantgardistischen Kompositionssprache der europäischen Neutöner wie Ligeti oder Lutoslawski. Und daneben sind Ansätze von Folk und Kammermusik ebenso auszumachen wie das illustre Alleinstellungsmerkmal der Avant Prog Szene. Eine Bekannte meint: ‚komischer Heavy Metal‘. Recht hat sie.
Bandchef Mike Johnson hat sich mit Bill Pohl (The Underground Railroad – Tipp!) einen großartigen zweiten Gitarristen an Bord geholt, ohne das Instrument damit in den Vordergrund zu stellen, obwohl Bill Pohl das Zeug dazu hat, als einziger Gitarrist in einer ‚progressiven‘ Rockband den Ton anzugeben (wie wir aus seiner Diskographie wissen).
Vielleicht ist das, wofür Thinking Plague stehen, in seiner konzeptionellen Qualität eher Symphonic Rock als das, was im Progressive Rock weitgehend dafür gehalten wird. Denn die reichhaltige, breitbandig arrangierte und beeindruckend kraftvolle, farbenfrohe Harmoniesprache des Ensembles spielt dieses lebhafte, virtuose Instrumentalgeflecht wie ein (kleines) klassisches Orchester, mit Rockinstrumentarium, in Mike Johnsons Kompositionssprache.
Das instrumentale Geschehen ist enorm symphonisch, allerdings nicht albern symphonisch oder geradeso-Musik wie hier und da im Progressive Rock, sondern in klassischer Handschrift – und mit der Verve und Spiellust, wie sie der Rockmusik eigen ist. Deftiges ist die Schaumkrone der Elegie, rhythmische Bruch-Ekstasen die Oberkante der Spieldynamik. Die Band kann laut, regelrecht krachig werden, als Pointe der Songentwicklung wie der Lyrics, die Elaine di Falco mit kühler Transparenz und leicht entrückter Dramatik intoniert.
So etwas wie Soli oder ausgedehnte instrumentale Läufe gibt es hier nicht. Alles ist auf das Arrangement der Komposition, die Idee an sich konzentriert. Da sind keine emotionalen Ausreißer oder sprunghaften Entwicklungen, das sieht das Konzept nicht vor. Und doch ist die konzentrierte, kammermusikalische und strenge, nichtformale Präsentation der Songs hochemotional.
Leicht ist hier nichts. Dafür ist die Erfüllung für geübte Ohren komplexer Musik jenseits eingleisiger Genres enorm. Alles ist Komposition, und unter den 6 Stücken auf der CD sind zwei, die ausgedehnt lang angelegt sind, nicht nur Themen und Ideen aneinanderreihen, sondern eine Grundidee bereichernd anlegen. Die Arbeit daran brauchte Jahre und hohe Konzentration, um so lebendig und logisch zu klingen, wie die Band es zuletzt einspielte.
Kaum weniger ausgeprägt hochkomplex und avantgardistisch sind die kürzeren Stücke, deren thematische Ausarbeitung gleich intensiv ist. Thinking Plague Fans werden mit „Hoping Against Hope“ ihre Band sofort wiedererkennen. Es sind so manche markante instrumentale Schnipsel/Ansätze/Weisen zu hören, wie sie zumindest seit der illustren 1998er Wiederbelebung der Band („In Extremis“) zu erforschen sind.
„Hoping Against Hope“ ist ein Statement zur aktuellen Situation der politischen Welt. „We heard of brave new worlds, but found only „desolation”. They called it peace.” Mike Johnsons Weltsicht ist nicht bitter, sondern hoffnungssuchend. Wenn die Texte das vordergründig auch nicht wiedergeben.
Flotter und rockigster Track ist das instrumentale „Thus Have We Made the World“ – ein Parforceritt deftiger Spielart. Kraftvoller Rock trifft auf verspielt angelegte Komplexsplitter. Sehr humorvoll und wohl der eingängigste Track des gesamten Albums. Die (jetzt) sechs Bandmusiker haben ein fabelhaftes und eindrucksvolles Werk geschaffen, für das sie hier und da Gastbeiträge einfließen ließen, und ein Gast ist besonders herauszuhören, weil sein eigenes markantes (und artverwandtes) Werk ebenso kraftvoll und eigenständig ist: Simon Steensland.
Was ist da los in Schweden, dass die Amerikaner es wahrnehmen?
Anspieltipp(s): |
Thus Have We Made the World |
Vergleichbar mit: |
Henry Cow, Art Bears, William Schuman |
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Veröffentlicht am: |
2.3.2017 |
Letzte Änderung: |
2.3.2017 |
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Gehofft hatte ich ja schon, dass Thinking Plague noch einmal etwas von sich hören lassen. Und in der Tat legte die Band um Mike Johnson mit "hoping against hope" im Frühjahr 2017 ihr siebtes Studioalbum vor. Schon Anfang der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts entstanden, sind mit Bandgründer Johnson und dem Ende der 80er dazugestoßenen Mark Harris immerhin noch zwei Urgesteine mit dabei. Oder, eigentlich sind es drei, hat doch Bob Drake (einstmals Bassist der Gruppe) wieder Mix und Mastering übernommen.
In all den Jahren hat sich die Musik der Formation eigentlich in stilistischer Hinsicht kaum verändert. Oder, im Grunde haben Thinking Plague einen eigenen Stil geschaffen und prägen diesen bis heute. Derselbe ist eine Art von amerikanischer Variante des inzwischen klassisch zu nennenden RIO, ein komplexer Kammerprog, der durch den obligatorischen Damengesang seine eigene Note bekommt.
Für denselben sorgt seit dem Vorgängeralbum "Decline And Fall" Elaine di Falco, die damit typisch angeschrägt ("immer leicht neben der Spur liegend", wie unser sehr vermisster Kollege Thomas einstmals schrieb) die weibliche Sangestradition in der Band (als Nachfolgerin von Sharon Bradford, Susanne Lewis und Deborah Perry) fortsetzt. Auch sonst kann man nicht behaupten, dass Thinking Plague hier sonderlich anders klingen würden als sonst. Thinking Plague klingen eben wie Thinking Plague, und das ist sehr gut so.
Oder, etwas anders klingt man schon, zumindest etwas anders als auf den Alben seit ca. "In Extremis", auf denen elektronische Keyboards eine etwas größere Rolle im Gesamtklang spielen. Einen hauptamtlichen Tastendrücker gibt es auf "hoping against hope" nicht, und mit Piano und Akkordeon sind es meist akustische Tasteninstrumente, die nur gelegentlich zu hören sind. Dafür gibt es mit Bill Pohl nun eine zweiten Gitarristen, der sich allerdings nicht sonderlich in den Vordergrund spielt. Vorherrschend ist, wie eigentlich schon immer bei Thinking Plague, ein dicht verwobenes, vom sehr eigenen Gesang dominiertes Gruppenzusammenspiel, in dem Blasinstrumente und Gitarre nur selten ausladender solieren.
Man nähert mit dem etwas akustischeren, direkteren und E-Tasten-freien "hoping against hope" klanglich dem klassischen Kammerporgsound franko-belgischer Prägung an. Man hat allerdings nie den Eindruck, einer anderen Band als Thinking Plague zu lauschen. Wie eh und je wird sehr farbig, komplex und kantig, dabei oft seltsam melodiös, reich instrumentiert und druckvoll avant-gerockt. Avant-Prog-Liebhaber können (sollten) ohne Zögern zugreifen.
Anspieltipp(s): |
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Vergleichbar mit: |
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Veröffentlicht am: |
25.5.2017 |
Letzte Änderung: |
2.6.2017 |
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