Cheat The Gallows
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Informationen
Allgemeine Angaben
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Label: |
Custard |
Durchschnittswertung: |
12/15 (3 Rezensionen) |
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Besetzung
Damon Fox |
vocals/guitars/keyboards |
Ace Mark |
guitars |
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Duffy Snowhill |
bass |
Steve Frothingham |
drums |
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Gastmusiker
Linda Perry |
backing vocals (7 & 8) |
The Gallows Orchestra |
tracks 1, 3, 6 & 10 |
Christopher Anderson-Bazzoli |
conductor |
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The Section Quartet |
tracks 5 & 7 |
The Kung-Pao Horns |
tracks 1, 2 & 10 |
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Tracklist
Disc 1 |
1. |
Gravest Show on Earth
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5:00
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2. |
Blackball
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7:02
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3. |
Money, It's Pure Evil
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3:18
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4. |
The Evils of Rock & Roll
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6:37
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5. |
No Parachute
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3:43
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6. |
The Game
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5:11
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7. |
Superstar
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3:46
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8. |
Race with Time
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4:28
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9. |
Hydra
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6:23
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10. |
Counting Sheep
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11:20
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Gesamtlaufzeit | 56:48 |
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Rezensionen

Wie retro kann eine Band eigentlich sein? Bigelf geben die Antwort darauf! Sie negieren einfach die Entwicklungen der letzten 30 Jahre, sowohl was die Musik an sich betrifft als auch in instrumententechnischer Hinsicht, von den modischen Entwicklungen mal ganz abgesehen. Rasierer, Schere? Wofür braucht man das? Black Sabbath zu Zeiten ihrer ersten Veröffentlichungen sahen genauso aus.
Bigelf kennen die Platten ihrer Vorbilder sicherlich in- und auswendig. Mit lockerer Hand verschwurbeln sie Psychedelic der 60er mit Hard Rock und Heavy Metal der frühen 70er, geben einen großen Schuss Progrock dazu und übergießen alles mit Glam Rock-Sauce. Dabei bedienen sie sich ungeniert bei den Beatles, The Move, Black Sabbath, Deep Purple, Uriah Heep, Focus, David Bowie, Queen und Gott weiß bei wem noch. Und trotzdem darf man Bigelf nicht als Klonband abtun, da sie aus all diesen Zutaten etwas ihnen eigenes kreieren, das man in dieser Zusammenstellung allenfalls noch bei Areknamés findet, die allerdings wesentlich ernsthafter an die Sache herangehen und denen das Auf- und Abgedrehte von Bigelf fehlt.
Neben all der harten Gitarrenarbeit von Ace Mark kommt Damon Fox mit seinem breitgefächerten analogen Tasteninstrumentarium nicht zu kurz. Die Produktion ist dabei, anders als bei vielen der Vorbilder, hervorragend und ziemlich fett ausgefallen. Bigelf lassen sich gleich von mehreren Ensembles an den Streichern und Bläsern unterstützen. Uhh, Bläser, höre ich es schon. Ja, das funktioniert und passt sich gut in den Gesamtkontext ein.
Man hört die Spielfreude zu jeder Zeit heraus. Das Ganze ist unheimlich mitreißend ausgefallen und man möchte andauernd mit dem Kopf mitbangen. Live muss das der Hammer sein. Letztlich stört es auch nicht, dass es ein oder zwei Songs gibt, die die Qualität nicht ganz halten können. Bigelf erfinden keine neue Musik. Alle Ingredienzen hat man früher schon einmal gehört. Aber sie zelebrieren dies auf eine derart mitreißende Art und Weise, die vollauf zu begeistern weiß.
Anspieltipp(s): |
Blackball, The evils of Rock'n'Roll, Hydra |
Vergleichbar mit: |
s. Text |
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Veröffentlicht am: |
16.11.2008 |
Letzte Änderung: |
16.11.2008 |
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Zeitmaschine gefällig?
Bigelf's metallic circus-influenced music is a quilt of T.Rex, Black Sabbath, Deep Purple, The Beatles, Queen and Pink Floyd.
Jo ... genau so ist es! Ein 70er-Jahre Flickenteppich ist "Cheat The Gallows". Aber, wer braucht so etwas?
Aber der Reihe nach. Im September 2009 erschien das derzeit neueste Album der Amerikaner Bigelf mit einem Jahr Verspätung auch in Europa. Wie man den bisherigen Rezensionen meiner Kollegen zur Musik der Amerikaner recht eindeutig entnehmen kann, machen Bigelf Retro-Rock (was nicht notwendigerweise auch Retro-Prog ist). Auch auf "Cheat The Gallows" machen sie das und die oben wiedergegebene Selbsteinschätzung der Band (oder die Charakterisierung ihrer PR-Agentur) trifft es ziemlich genau. Als hätte es die letzten 30-40 Jahre nicht gegeben vermengen Bigelf Hardrock, Glamrock, Beatlesartiges, Queen-Reminiszenzen, Frühsiebziger-Pop und Floydiges zu einem neuen Ganzen. Je nach musikalischer Vorbildung und eigenen musikalischen Präferenzen wird der geneigte Leser sicher noch weitere Vergleiche finden. So finde ich, dass das Gebotene bisweilen ein wenig nach ELO klingt, manchmal auch Led-Zeppelin-Artiges eingewoben wurde und ab und an auch eher die Stones als die Beatles als Inspirationsquelle dienten. Als Gesamtwerk betrachtet hat das Ganze auch Ähnlichkeit mit Roy Woods Mischmaschalbum "Wizzard Brew".
In musikalischer und auch produktionstechnischer Hinsicht gibt es hier nichts zu meckern. Die Band spielt sehr schwung- und druckvoll auf, das Ganze kommt fett und voluminös aus den Boxen, die Musik klingt sehr authentisch, es wurden geschickt Streicher- und Bläsersätze integriert und ausgesprochen abwechslungsreich ist die Scheibe natürlich auch. Kommen wir also zu den weiter oben schon gestellten, oder angedeuteten beiden Fragen:
Ist das Prog? Nun, wer das Schaffen, oder zumindest einen Teil desselben, der schon genannten Bands als Prog ansieht, der wird auch "Cheat The Gallows" da einordnen. Ich finde allerdings, dass wir besser bei der Bezeichnung Retro-Rock bleiben sollten.
Wer braucht so etwas? Zumindest all diejenigen, die schon seit Jahren betrauern, dass sie nicht 30 Jahre früher geboren wurden, sollten sich mit diesem Album trösten können. Ansonsten stellt sich für manche (auch den Rezensenten) das bekannte Retro-Problem: Wozu etwas kopieren, was es doch schon gibt? Also, warum soll ich mir "Cheat The Gallows" anhören oder zulegen, wenn es doch schon die ganzen Alben der Inspirationsquellen gibt? Natürlich kopieren Bigelf nicht direkt, sondern kreieren mit ihrem Gemenge an Stilzitaten durchaus etwas Eigenes und einigermaßen Neues. Letztendlich ist "Cheat The Gallows" wirklich ein Patchworkteppich, rezent zusammengenäht aus allerlei nachgespielten 70er-Jahre-Flicken. Ein paar eigene Flickerl kann man zudem auch ab und zu entdecken. Somit kann man das Vorgehen der Band als historisierendes, aber durchaus kreatives Musikschaffen akzeptieren.
Wer braucht so etwas also? Nun, wer die Musik der Inspirationsquellen schätzt und mehr davon, in mitunter durcheinander gewürfelter Form und zeitgemäßem Sound braucht, wer den mitunter sehr rotzigen, klassischen Rock der 70er liebt, der kann hier gefahrlos investieren. Wer allerdings mit der Musik von T.Rex, Black Sabbath, Deep Purple, den Beatles, Queen und Pink Floyd, oder zumindest dem Grossteil davon, nicht allzu viel anzufangen weiß (wie der Rezensent, der aus dieser Liste eigentlich nur (noch) Pink Floyd etwas abgewinnen kann), der braucht auch "Cheat The Gallows" nicht!
Anspieltipp(s): |
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Vergleichbar mit: |
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Veröffentlicht am: |
8.10.2009 |
Letzte Änderung: |
22.11.2014 |
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Sooo... "Cheat The Gallows" also. Mit diesem Album standen Bigelf damals scheinbar auf dem Sprungbrett zu einer größeren Karriere: Die Kritiken waren gut, Dream Theater luden ins Vorprogramm, und die Musikkonsumenten hatten anders als in den Jahren zuvor verstärkt Böcke auf authentischen Retro-Hardrock. Doch es kam, und diese Geschichte wird mittlerweile ebenfalls überall kolportiert, ganz anders, als Gitarrist Ace Mark die Band verließ, dessen Vorgänger A.H.M. Butler-Jones an Silvester 2009 verstarb und Damon Fox somit kurz vor dem Höhepunkt der Retrowelle auf einmal die Lust verlor.
Bleibt also "Cheat The Gallows" als Vermächtnis dieser Was-hätte-sein-können-Zeit. Nun ja: Vielleicht waren Bigelf damit ihrer Zeit auch schon wieder voraus, denn während alle Welt auf einmal Gefallen an Black-Sabbath-Riffs, Jethro-Tull-Flöten und Atomic-Rooster-Georgel fand, waren Bigelf auf diesem Album schon einen Schritt weiter. Denn im Unterschied zu den beiden Vorgängeralben begnügt sich keiner der Songs auf "Cheat The Gallows" damit, bloß geradlinig oder "nur" hardrockig zu sein, stattdessen dominieren ausgefeilteste Arrangements, eine gewisse Stilvielfalt und ein Hang dazu, alle möglichen Späße in die Songs einzubauen. Kurz gesagt: Bigelf klingen hier keineswegs nach bloßem geschichtsbewussten Hardrock, sondern lehnen sich schon sehr, sehr weit aus dem Fenster und lassen vermehrt überdrehtes Zeug von The Crazy World of Arthur Brown, Alice Cooper, Queen, ELO, Meat Loaf oder auch Robert Calvert anklingen.
Die hörbaren Konsequenzen hiervon sind beispielsweise ein Hang zu "echt" klingenden Streichern oder Bläsern, eingestreute Samples, konsequenter Madhatter-Gesang und noch dicker auftragende Arrangements. Paradebeispiele für diese Wandlung im Sound sind "Money, It's Pure Evil" oder "No Parachute". Beides sind von Haus aus eher in der Tradition der Beatles stehende Songs, wie es sie seit jeher im Bigelf-Fundus gab (und die gerade deshalb so zur Demonstration taugen), aber nun kommen hier haufenweise Streicherkaskaden, Stereoeffekte, psychedelische Zwischenspiele ("Never thought the sky could be so blue...") und auch ein boshafter Unterton ins Spiel.
Andere schöne Freakout-Passagen: Der am Ende von "Blackball" eingeführte Boogie-Part mit Bläser-Overkill, die leicht an "21st Century Schizoid Man" erinnernden Gesangs-Breaks in "Gravest Show On Earth" (und wo Crimso von "innocents raped with napalm fire" sangen, erwähnen Bigelf nicht nur die "Hiroshima mushroom cloud", sondern kommentieren noch bissig "it's quite the same"), das Noise-Intro zum ansonsten fast schon Muse-artigen "Race With Time", der bitterböse Text und die Kammermusik-Zwischenspiele von "Counting Sheep". Auch sorgen ein paar schöne Querverweise - so werden "The Game" und eine Wendung aus "Counting Sheep" bereits in "Gravest Show On Earth" vorweg genommen, und in "Money, It's Pure Evil", ohnehin schon als kurze Skizze mit Titel "$" am Ende von "Hex" vorgestellt, taucht die Formulierung "The Bitter End" auf - für eine strukturelle Geschlossenheit, und außerdem waren Bigelf noch nie so sleazig wie in "Superstar" und noch nie so fies wie in "Hydra". Es lässt sich also mit Fug und Recht behaupten, dass Bigelf hier die Extreme ihres Stils und seiner Einflüsse bis an die Schmerzensgrenze ausreizen.
Eine gewisse Schattenseite hat "Cheat The Gallows" deshalb tatsächlich doch: Die Songs sind insgesamt sperriger ausgefallen als jene auf "Hex" oder "Into The Maelstrom" und verstecken ihre Ohrwurm-Qualitäten inmitten zahlloser knallbunter Einfälle und verschrobener Songaufbauten. Vielleicht ist genau das der Fehler gewesen, hier keine vordergründigen Hits zu bieten, sondern es mit Arrangements, Spielereien und Subtext geradezu zu übertreiben. In einer Zeit, in der auf einmal alles in seiner Geschichtsbeflissenheit bis hin zur Religiosität ernst war, sind Bigelf nachgerade zu Spaßmachern geworden - was wiederum dem Zeitgeist genau zuwider lief. Ob hier eine gewisse Nemesis darin liegt, dass gerade Bigelf, die in den Texten nur allzugerne das Musikbusiness angeprangert haben, immer noch nicht groß durchgestartet sind?
Anspieltipp(s): |
Hydra, No Parachute, Gravest Show On Earth |
Vergleichbar mit: |
In der Optik würde man sowas als "Kontrastspreizung" bezeichnen |
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Veröffentlicht am: |
16.7.2015 |
Letzte Änderung: |
4.2.2016 |
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Alle weiteren besprochenen Veröffentlichungen von Bigelf
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